Magisterarbeit: Der Körper in Positionen zeitgenössischer Kunst seit 1980, 1999.



"Soviel Körper war nie", resümiert "DIE ZEIT" die gegenwärtigen Tendenzen in der zeitgenössischen Kunst. "It's body time", betiteln Feuilletonisten ihre Beobachtungen zu derzeitigen Kunstproduktionsschwerpunkten. Anlass für diese emphatischen Äußerungen ist die starke Präsenz von Körperbildern in der zeitgenössischen Kunst, das auffallende Interesse am menschlichen Körper und an dessen bildlicher Inszenierung. "In Mode gekommen ist er", wird konstatiert, "nicht zum ersten Mal, als Diskurs von Wissenschaft, Technologie, Kunst und Ausstellung." Ausstellungen wie "PostHuman" (Deichtorhallen Hamburg, 11.3.1993 bis 9.5.1993), "The Body/Le Corps" (Kunsthalle Bielefeld, 28.8.1994 bis 16.10.1994), "Andere Körper - Different Bodies" (Offenes Kunsthaus Linz, 22.9.1994 bis 30.10.1994), "Short Cuts: Anschlüsse an den Körper" (DASA, Dortmund, 22.8.1997 bis 5.10.1997) oder "Body check" (Kunstverein, Hamburg, 4.9.1998 bis 8.11.1998) greifen den Körper für thematische Gruppenausstellungen auf, um nur einige aus dem deutschsprachigen Raum der letzten Jahre zu nennen. Selbst auf der 100-jährigen Biennale in Venedig 1995 wurde der Körper mit der enzyklopädischen Jubiläumsausstellung "identity and alterity. figures of the body 1895/1995" zum zentralen Thema exponiert. "Mit dem Ausstellen kommt der Körper in/zur Mode und zurück zur Ausstellung. So beginnt, dreht, wiederholt, designed und re-designed sich der Körper um seine Schauplätze herum." [1] Das Interesse des Ausstellungsbetriebes am Körper, am Körperbild und an der Körperwahrnehmung ist kaum mehr überschaubar. [2] Vielzahl, Ausstellungstitel und -konzeptionen wie auch die veränderten Perspektiv- und Akzentsetzungen (die oben exemplarisch ausgewählten Ausstellungen sind chronologisch geordnet und machen die veränderten Rahmenbedingungen für das Thema Körper deutlich) deuten auf den Umfang, das Spektrum und die Dimensionen der Auseinandersetzungen mit dem Körper hin. Auch die populärkunstwissenschaftlichen Printmedien beteiligen sich an der Inszenierung des Körpers: Das "Kunstforum International" oder "du - Die Zeitschrift der Kultur" widmen dem Körper eigene Themenbände. "Art in America", "Artforum International" oder auch "art - Das Kunstmagazin" begleiten das Thema Körper kontinuierlich über die letzten Jahre und bringen Gattungsangebote wie "new body art" oder "Körperkunst" in die Diskussion ein. In den wissenschaftlichen Debatten ist der Körper-Diskurs ebenfalls zu einem nicht zu unterschätzenden, über die Disziplingrenzen hinaus arbeitenden Diskursfeld angewachsen: 1982 wurde "Die Wiederkehr des Körpers" [3] beschworen, "Die Zukunft des Körpers" wurde in zwei Bänden zu klären versucht [4], "Körper von Gewicht" [5] wies auf die genealogische und kategoriale Last des Themas hin und deutete schon im Untertitel "Die diskursiven Grenzen des Geschlechts" an, "Die Eroberung des Körpers" [6] dämpfte die anfänglichen Euphorien und setzte sich einer erneuten Mystifizierung des Themas entgegen. Jährlich stattfindende Symposien der unterschiedlichsten Fachbereiche diskutieren interdisziplinär das Thema Körper [7] und machen über anschlieszende Publikationen die aktuellen Forschungsergebnisse einer breiteren Leserschaft zugänglich.

Pointiert zusammengefasst: Der Körper hat Hochkonjunktur.

Das Interesse der vorliegenden Arbeit gilt im kunstwissenschaftlichen Diskursrahmen dem Schauplatz der zeitgenössischen Kunst und stützt sich auf die Ausgangsbeobachtung der starken Präsenz des Körpers als Thema und Material in Positionen zeitgenössischer Kunst. Der Titel "Der Körper in Positionen zeitgenössischer Kunst seit 1980" eröffnet drei relevante Themenkomplexe:
Erstens: Wie wird mit dem Körper in der zeitgenössischen Kunst seit den 80er Jahren verfahren? Welche ästhetischen Strategien des Zugriffs auf den Körper sind zu beobachten? Welche Körperbezeichnungen werden in den künstlerischen Positionen abgehandelt?
Zweitens: Was ist Körper?
Drittens: Wie lassen sich darüber hinaus medien- und erkenntnistheoretische Probleme zu Funktion und Status von Bildern klären? Welchen Stellenwert besitzen Bilder im Körperdiskurs? Welche Zusammenhänge existieren zwischen Bildern, Körpern und Subjekten? Wie nehmen Bilder an der Verwaltung und der Organisation von Körpern und Subjekten teil?
Die Auswahl der von mir einbezogenen und untersuchten Texte fokussiert Ansätze, die den Diskurs- und Zeichentheorien, der "Postmoderne" und der Dekonstruktion, den poststrukturalistischen Theorien sowie den Cultural Studies zuzuordnen sind. Nicht ohne Grund: Weist sich der Körper doch als eines der "großen Themen" poststrukturalistisch-feministischer Dekonstruktions-Verfahren aus. Peter Weibel bestätigt, dass "die Kritik am cartesianischen Subjektbegriff, die Instabilität und Arbitrarität der Signifikation, die Lokalisation des Subjekts in der Sprache bzw. im Diskurs und die Untersuchung des Diskurses als Herren- bzw. Macht-Diskurs [...]" als Agenda eben jener wissenschaftlicher Bemühungen anzuerkennen sind.[8] Diese Bereiche markieren den hier zu diskutierenden Rahmen und formieren in dem vorliegenden Text die genannten thematischen Verknüpfungen zwischen Körper, Bild und Subjekt. Effekt dieser Arbeitsmethode ist, das Feld der Kunstgeschichte um das der Philosophie und der Kulturtheorie zu erweitern und das Thema interdisziplinär in einem kunstwissenschaftlich-philosophischen Diskurs zu verhandeln. Da derzeit die Themen Körper und Subjekt ohnehin in einer disziplinären Breite diskutiert werden, würde eine Ausblendung verschiedener wissenschaftlicher Forschungsergebnisse einen Rückfall hinter den aktuellen Forschungsstand bedeuten. Das Feld der Kunstgeschichte wird dementsprechend weiträumig über- und umschritten und um seine Kontexte erweitert.



[1] Dressler, Iris, Ein Cross-Over durch Kunst, Wissenschaft und KörperBilder, in: hARTware projekte e.V. (Hg.), Short Cuts: Anschlüsse an den Körper, Ausst.-Kat., Deutsche Arbeitsschutzausstellung (DASA), Dortmund 1997, S. 2.
[2] Weitere Ausstellungen zum Thema Kärper vgl. Schade, Sigrid, Andere Körper. Kunst, Politik und Repräsentation in den 80er und 90er Jahren, in: Schade, Sigrid/Offenes Kunsthaus Linz (Hg.), Andere Körper, Ausst.-Kat., Wien 1994, S. 20.
[3] Kamper, Dietmar/Wulf, Christoph (Hg.), Die Wiederkehr des Körpers, Frankfurt/Main 1982.
[4] Kunstforum International, Bd. 132, November-Januar 1996, Themenband: Die Zukunft des Körpers I sowie Kunstforum International, Bd. 133, Februar-April 1996, Themenband: Die Zukunft des Körpers II.
[5] Butler, Judith, Körper von Gewicht, Berlin 1995.
[6] Virilio, Paul, Die Eroberung des Körpers. Vom Übermenschen zum überreizten Menschen, Frankfurt/Main 1996.
[7] Exemplarisch und fachspezifisch seien hier die wissenschaftlichen Kolloquien der Kunsthistorikerinnen-Tagungen der letzten Jahre genannt.
[8] Weibel, Peter, Jenseits des weissen Würfels. Kunst zwischen Kolonialismus und Kosmopolitismus, in: Ders. (Hg.), Inklusion : Exklusion. Versuch einer neuen Kartografie der Kunst im Zeitalter von Postkolonialismus und globaler Migration, Ausst.-Kat., Köln 1997, S. 10.







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